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#1

[ST] Wahlkampf in Italien

Wahlkampf in Italien
Berlusconis Masterplan für die Macht
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Silvio Berlusconi läuft wieder zur Hochform auf. Er umschmeichelt die Italiener und erzählt Politikmärchen wie zu besten Zeiten. Das alles wirkt krude, folgt aber einer ausgebufften Strategie, die ihm am Ende einen Erfolg einbringen könnte - und Europa eine neue Krise.

Der Mann hat Angst, er hat viel Geld - und er hat das Kommando über drei Fernsehprogramme und Hunderte von Experten in Sachen öffentlicher Meinung. Das ist die Ausgangslage für den Wahlkampf des Silvio Berlusconi. Schon jetzt läuft seine Maschinerie auf Hochtouren.

Was teilweise grenzdebil bis irre erscheint, wird tatsächlich von ausgebufften Medienprofis erarbeitet. Meinungsforscher messen täglich die Stimmung im Volk und melden Berlusconis Kampagnen-Leitstelle, was ankommt und was nicht.

Derzeit melden sie Positives: Drei Prozentpunkte hat Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) in den vergangenen Tagen dazugewonnen. Auch damit sind es bisher zwar nur 17 Prozent der Italiener, die tatsächlich gewillt sind, noch einmal den Ex-Premier zu wählen. Aber ihre Zahl könnte wachsen, wenn die Berlusconi-Show erst einmal auf vollen Touren läuft.

Showtime am Sonntagnachmittag


Dazu muss jetzt alles ganz schnell gehen. Schon in den ersten Januartagen soll sich die neue, schöne Welt, die Berlusconi den Italienern bescheren will, in den Köpfen möglichst vieler Wähler festgesetzt haben. Denn danach, 45 Tage vor den Wahlen, wird die TV-Präsenz der Politik per Gesetz limitiert. Voll aufdrehen kann Berlusconi jetzt. Und das tut er.

In den Nachrichten seiner Sender werden seit Tagen "Erfolge" der früheren Berlusconi-Regierung den Fehlern und unerledigten Arbeiten von Premier Mario Monti gegenübergestellt. In der populären Sonntagnachmittag-Show seines Canale 5 präsentierte sich der große Silvio fast eineinhalb Stunden. "Interview" nannte die Moderatorin das Format, in dem sie Stichworte lieferte, die exakt zum Vortrag des Studiogastes passten. "Die Menschen auf der Straße klagen über die Last der Immobiliensteuer", sagte sie zum Beispiel und Berlusconi nickte ernsthaft. Die Klagen seien berechtigt, viele Familien würden in bittere Armut gestürzt, er werde diese Steuern sofort wieder abschaffen, so Berlusconi.

Ja und das Geld, das dann dem Staat fehle? Kein Problem, da reichten kleinere Aufschläge bei den Steuern auf Bier und Schnaps. Und wenn die Moderatorin - seit 35 Jahren in Diensten des Berlusconi-Senders und mit dessen Tochter befreundet - ausnahmsweise einen Einsatz verpasste, brachte ihr Studiogast sie in der Werbepause wieder aufs Gleis. 2,5 Millionen Zuschauer saßen vor den Bildschirmen, die meisten eher jünger, nicht überdurchschnittlich gebildet, aus dem wirtschaftsschwachen Süden des Landes. Berlusconis Wähler.

Die andere Hälfte seines Potentials, die älteren Italiener, eher aus dem Norden, eher weiblich, wurden tags darauf vom Sender Rete 4 versorgt. Auch da gab es ein "Interview" mit Silvio dem Großen, aufgezeichnet in dessen prachtvollem Salon seiner Villa in Arcore. Da versprach der 76-Jährige, im Falle seines Wahlsieges werde er in der Politik endlich aufräumen.

Berlusconis Trauma: Knast oder Exil


Berlusconi steigt nicht aus Spaß in den Ring. Er muss. Er ist heute wieder genau da, wo er 1994 war - in großer Gefahr. Damals, als seine Polit-Karriere begann, stand sein Firmenimperium vor dem Bankrott und er selbst mit einem Bein im Knast. Er ging in die Politik, um sich zu retten. Das haben er selbst und viele seiner Weggefährten später offen zugegeben.

Heute ist sein Medienimperium wieder auf Talfahrt. Die Werbeeinnahmen brechen weg, nicht nur der Krise wegen. Als Berlusconi das Land regierte, war es für die Wirtschaftsgrößen des Landes selbstverständlich, ihre Werbung vorrangig in seinem Reich zu platzieren. Schließlich ging es auch um Staatsaufträge und politische Deckung bei größeren Problemen. Damit war es ab November vorigen Jahres vorbei, als Berlusconi den Regierungs-Palazzo Chigi in Rom räumen musste.

Auch die Bedrohung durch die Justiz ist heute so akut wie damals. Im Prozess um bezahlten Sex mit einer minderjährigen Marokkanerin - Künstlername: "Ruby Rubacuore" (Herzensbrecherin) - steht im Februar das Urteil an. Die Sache könnte brenzlig werden. Nur politische Macht gibt Berlusconi die Sicherheit, sich retten zu können.

"Ich fühlte mich so allein"


Die Strategie dieses Überlebenskampfes ist in vielen Sitzungen von einem großen, hochprofessionellen Team entwickelt worden. Sie heißt: Aus den Schwächen Stärken machen. Zum Beispiel die Skandale um seine "Bunga Bunga"-Feste mit Dutzenden junger Frauen. Im streng katholischen, konservativen Italien kam das nicht gut an. Zumal der Rest der Welt über "Bella Italia" spottete. Nein, sagte Berlusconi jetzt reumütig im Fernsehen, das war nicht gut, dafür müsse er sich entschuldigen. Aber ach, "ich fühlte mich so allein, von meiner Frau geschieden, meine Mutter war gestorben, auch meine Schwester und meine Kinder sind immer in der Welt unterwegs".

Da kam jemand und verhieß ihm abendliche Zerstreuung. Ein Fehler, das wisse er jetzt. Denn nun sei alles wieder gut, habe er wieder eine Partnerin gefunden. Fast 50 Jahre jünger ist die Verlobte, und er kennt sie schon seit sieben Jahren. Sie war Chefin eines Silvio-Berlusconi-Fanclubs, der Flugzeuge mit einem "Silvio, wir vermissen Dich"-Banner vor dessen Villa in Sardinien aufsteigen ließ. Später personalisierte sie die Aktion und änderte die Aufschrift in "Silvio, ich vermisse Dich". So kam sie in sein Umfeld.

Jetzt wurde sie erhört. Und Berlusconi kann wieder ein geordnetes Privatleben vorweisen. Die Italiener, so das Kalkül dahinter, müssen ihm seine Eskapaden verzeihen.

Unsolidarische und egoistische Deutsche


Auch das Wirtschaftsdebakel, das er in seiner letzten Amtszeit angerichtet hat, wird gekonnt gewendet. Die Lage sei ernst, sagt der große Unternehmer jetzt. Schuld sei "die dem Land von den unsolidarischen und egoistischen Deutschen auferlegte Sparpolitik". Monti folge der Berliner Order untertänigst. Doch er, Berlusconi, werde damit Schluss machen. Immer wieder bringt er Italiens Austritt aus der Euro-Zone ins Spiel, um bei seinen Anhängern für Stimmung zu sorgen.

Diese ganze Sparerei zu Lasten der Alten und der Kinder, der Arbeiter und der Unternehmer, das alles müsse nicht sein, verspricht Berlusconi. Es sei falsch. Richtig sei das, was nicht wehtue! Runter mit den Steuern für alle, müsse die neue Devise lauten, Kredite an die Unternehmen geben, damit diese wieder auf Wachstumskurs gehen könnten.

Das Leben in Italien werde wieder schön sein, so wie früher, wenn nur er wieder die Macht übernehme, sagt Berlusconi. Wer hört das nicht gerne? Und wenn die These auch noch von Wirtschaftsexperten jeden Tag bestätigt wird, im Fernsehen, im Berlusconi-Fernsehen? Kann es dann falsch sein, ihn vielleicht, eventuell doch noch einmal zu wählen?

Täglich 72 Liegestütze


Berlusconi hat es doch versprochen - er wird Italien retten. Er muss nur die Macht dazu bekommen. Eigentlich will er sie ja gar nicht. Mein Gott, er ist reich, er könnte seine letzten Jahre doch genießen, am Strand von Sardinien oder auf seiner Yacht, irgendwo in warmen Gewässern.

Hat er nicht mehrfach Monti angeboten, ihm die Macht zu überlassen? Aber der hat abgelehnt. Hat Berlusconi nicht schon vor vielen Monaten einen Nachfolger in seiner Partei auserwählt, auch der könnte es ja machen. Aber der kann es einfach nicht. Muss Berlusconi denn wirklich noch einmal ran? Er reißt sich nicht darum, aber die Menschen riefen nach ihm, bedrängten ihn. Natürlich sei er fit, wie mit Mitte 30. Täglich mache er 72 Liegestütze, sagt Berlusconi. Alles nach Drehbuch.

Tatsächlich ist das alles nüchtern betrachtet ein aberwitzig-albernes Spektakel: Ein von Furcht getriebener alter Mann, "sexbesessen" nennen ihn manche, "verwirrt" erscheint er anderen, geliftet und mit Fremdhaar am Kopf, erzählt haarsträubende Geschichten. Doch in den Seifenopern seiner Fernsehsender werden täglich solche abstrusen Storys präsentiert - und viele Menschen hocken davor, staunen und träumen, statt sich lachend davon zu zappen. Berlusconis Fernsehzuschauer sind seine treuesten Wähler.

Gewinnen wird er die Wahlen nicht. Das scheint aussichtslos. Aber er braucht ja auch nur ein Stück von der Macht. Ihm reicht ein ordentliches Maß an Störpotential, um die eigenen Interessen politisch abzusichern. Im italienischen Vielparteiensystem mit Parlamentariern, die im Laufe einer Wahlperiode gerne die Fronten wechseln, mit Allianzen, die sich bei neuen Fragen immer wieder neu bilden können, hat ein Politiker mit 20 bis 25 Prozent der Stimmen erhebliches Gewicht. Und, wenn die Linke regieren sollte, führt er eben die Rechte an. Dann kann er im Notfall manches blockieren, verschleppen - oder gegen ein Gesetz tauschen, das ihn erneut vor dem Zugriff der Justiz bewahrt.

Das wäre dann der Notfall für Italien, womöglich sogar für ganz Europa.

"ich brauche pilze in meinem glas,
pilze und gras, ich bin verstrahlt"
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#2

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Zitat:
Rückzug der Weisen

Die scheidende italienische Regierung hat das Land eher verwaltet als verändert.


Der vorzeitige Abschied des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti verunsichert ganz Europa. Nur für seinen Vorgänger und Widersacher Silvio Berlusconi ist der Fall klar. Monti hinterlasse einen Scherbenhaufen, behauptet Berlusconi. Nach 13 Monaten Monti habe Italien mehr Arbeitslose und mehr Arme, weniger Rücklagen und weniger Wirtschaftswachstum. Italien sei es schlechter ergangen als zu seiner eigenen Regierungszeit, gut, wenn dieser Monti jetzt bald abtrete.

In Wirklichkeit hat Monti einen Zug angehalten, der in voller Fahrt auf einen Abgrund zuraste, weil der Lokführer Berlusconi auf keinerlei Signale geachtet hatte. Kaum am Steuer, verkündete Monti ehrgeizige Pläne: Sanierung der Staatsfinanzen und ein ausgeglichener Haushalt 2013. Auf dem Weg dahin erreichte der parteilose Ökonom wichtige Etappenziele. Er gewann das Vertrauen der Märkte; das senkte die unter Berlusconi horrenden Zinsen für italienische Staatsanleihen. Das Land konnte sich stabilisieren, und die Gefahr, dass aus der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone ein zweites Griechenland werden könnte, ist vorerst gebannt.

Allerdings wird Italien auch nicht zu einem zweiten Deutschland werden. »Im selben Moment, in dem unsere herrschende Klasse Reformen herbeisehnt, hat sie schon entschieden, dass Italien nicht zu reformieren ist«, klagte kürzlich Il Sole 24ore, die Tageszeitung des Unternehmerverbandes, nicht ohne die Verantwortung dafür in der Mentalität der Menschen zu suchen, in einer gewissen »Abneigung gegenüber drastischen Entscheidungen«. Die werden in Europa von Italien erwartet. Aber so funktioniert dieses Land nicht. Noch nicht einmal mit Monti.

Die Regierung der Professoren war ein einmaliges Experiment: ein Rat der Weisen, der unabhängig vom Gezänk der Politik schalten und walten konnte. So jedenfalls sah es von außen aus. Die tatsächliche Bilanz ist etwas enttäuschender. Denn die Weisen haben Italien eher gut verwaltet als nachhaltig verändert. Dabei wäre mit etwas mehr Elan, Entschlusskraft und Energie von den vielen Reformvorhaben womöglich mehr geblieben als nur eine Ansammlung von Spargesetzen.

Die gelungenste und wichtigste Reform bleibt die Neuordnung des Rentensystems. Dass sie auch die erste war, ist symptomatisch. Denn zu Anfang seiner Regierungszeit hatte Monti tatsächlich noch freie Bahn. Italien hatte mit Berlusconi gerade eine Nahtoderfahrung hinter sich und war bereit, für das Überleben auch bitterste Pillen zu schlucken: die Neustrukturierung von Verwaltung und Justiz, die Entbürokratisierung der Wirtschaft, die Reduzierung der Kosten der Politik. Monti und seine Professoren mixten diese Pillen, verabreichten sie aber dann lediglich in homöopathischen Dosen mithilfe von Notverordnungen, die irgendwann in Gesetze umgewandelt werden sollten. Für dieses Irgendwann ist es jetzt zu spät.

Die Zeit reicht gerade noch für die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes, dann wird Monti gehen. Der Haushalt wurde, typisch Italien, vor der letzten Lesung mit 1.500 Nachbesserungsanträgen versehen. So soll etwa die sizilianische Region Belice auch 2013 noch einmal zehn Millionen Euro vom Steuerzahler bekommen – als Wiederaufbauhilfe nach einem Erdbeben, das sich im Januar 1968 ereignete.

Bei großen Unternehmen gibt es eine gewisse Staatsferne


Wenn man sich durch das Haushaltsgesetz wühlt, bekommt man eine Ahnung davon, aus wie vielen Partikularinteressen dieses Land besteht. Und wie schwierig es sein muss, Italien zu modernisieren. »Wir haben uns ja längst in der Krise eingerichtet«, sagt Giuseppe De Rita, der Leiter des renommierten Sozialforschungsinstituts Censis. »Es gab in Italien keine traumatischen Ereignisse wie einen Bankencrash oder eine Immobilienkrise. Unsere Krise ist strukturell. Wir leben schon lange mit ihr, und deshalb lehnen wir radikale Schritte zu ihrer Überwindung ab.«

Der Chef der Steuerbehörde benötigte Polizeischutz


Ein weitreichendes Gesetz zur Korruptionsbekämpfung, eine radikale Reform des Arbeitsmarktes? Nicht doch. Monate feilschten Parteien und Gewerkschaften mit den zuständigen Ministerinnen Paola Severino (Justiz) und Elsa Fornero (Arbeit), dann wurden Gesetze verabschiedet, die niemanden zufrieden machten. Aber auch keinen mehr wütend. Anders als die Neuordnung der Provinzen. Der Bürgermeister von Prato in der Toskana gab eine Pressekonferenz auf der Toilette – aus Empörung über die Aussicht, demnächst Florenz unterstellt zu werden.

Die italienische Ökonomie basiert nach wie vor auf einer großen Zahl von kleinen Betrieben, oft von Familien geführten Traditionsunternehmen. Berlusconi hatte diese Klientel zuverlässig bedient, indem er ihr den Staat vom Leib hielt. Monti aber nahm die Mittelständler in die Zange. Er beschloss eine neue Immobiliensteuer und befeuerte gleichzeitig den Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die Reaktion war ein Aufschrei. Der Chef der Steuerbehörde bekam Polizeischutz, nachdem in einigen Finanzämtern Sprengsätze gezündet worden waren.

Über Monate behaupteten die Interessenverbände der Mittelständler, die Steuerpolitik habe massenhaft Unternehmer in den Selbstmord getrieben – einen Nachweis blieben die Lobbyisten allerdings schuldig. »Es ist schon bizarr«, sagt der Soziologe De Rita, »Montis Spar- und Steuerpolitik trifft vor allem diejenigen, die immer schon den größten Beitrag leisten mussten: also die angestellten Steuerzahler. Aber den lautesten Protest hört man von den Selbstständigen.«

De Rita hält die Hiobsbotschaften von einer galoppierenden Verarmung der Italiener für übertrieben: »Wir sind nicht arm, wir haben vielleicht etwas weniger Geld. Aber 85 Prozent der Italiener sind Eigenheimbesitzer. Armut sieht anders aus.« Eine Million Familien zahlt nach Schätzungen der Steuerbehörde überhaupt keinen Tribut an den Staat, jeder Fünfte schummelt bei der Steuererklärung. Wenn Monti an das Verantwortungsbewusstsein seiner Landsleute appellierte, klang das oft ziemlich hilflos.

Auch bei den großen Unternehmen gibt es eine gewisse Staatsferne. Anzulasten ist das Berlusconi, der als Industrieller nie Industriepolitik betrieben hat. Fiat als größter privater Arbeitgeber im Land erschien dem Medienzaren wie eine feindliche Macht. Er wähnte bei den Turiner Autobauern die Arroganz des alteingesessenen Geldadels gegenüber dem Parvenü.

Investitionen von 20 Milliarden Euro wurden zur Makulatur erklärt


Monti wiederum hatte Fiat-Chef Sergio Marchionne nicht viel entgegenzusetzen, als dieser im September das Projekt »Fabbrica Italia« mit Investitionen über 20 Milliarden Euro zur Makulatur erklärte. Der Professor rang Marchionne lediglich das Versprechen ab, dass Fiat sich nicht aus Italien zurückziehen werde. Marchionne hat übrigens seinen Wohnsitz in der Schweiz.

Härter griff Monti gegen die Industriellenfamilie Riva durch, die im apulischen Tarent das größte Stahlwerk Europas betreibt. Über Jahrzehnte wurden dort die Umweltvorschriften missachtet, bis die Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis auf Gesundheitsgefährdung durch Dioxin durchgriff – und die Manager verhaften ließ. 12.000 Menschen arbeiten im Stahlwerk, es handelt sich um den größten Arbeitgeber in der strukturschwachen Region. Auf den Erpressungsversuch »Arbeit oder Umwelt« ließ Monti sich trotzdem nicht ein. Ende November verfügte er per Notverordnung die Umweltsanierung bei laufender Produktion. Und drohte bei weiteren Verstößen sogar mit Enteignung. Das wäre eine extreme Maßnahme – gegen Industriebarone, die sich am Rande Italiens tatsächlich wie Feudalherren aufführen.

Es fehlen jene Akademiker, die bereits wegen der Krise ins Ausland geflüchtet sind


Dabei stellen sich italienische Unternehmer meist als die einzige Avantgarde ihres Landes dar, als weltoffene Alternative zur einer vergreisten politischen Klasse, deren Repräsentanten oft noch nicht einmal Englisch sprächen. Auch in der Krise gibt es Unternehmer, die in ihrem Auftreten an Renaissancefürsten erinnern. In die Restaurierung des Kolosseums investieren sie ebenso wie in Fußball-Erstligaklubs, so der Luxusmodenhersteller Diego Della Valle. Oder sie leiten neben der Formel-1-Marke Ferrari ihren eigenen politischen Thinktank, wie Luca Cordero di Montezemolo.

Sie stehen für die ungebrochene Attraktivität und die Innovationsfähigkeit des Made in Italy – und sie setzen auf Monti. Am liebsten würden sie ihn als Regierungschef behalten. Ihren Unternehmerkollegen Silvio Berlusconi hingegen verabscheuen sie. Dass der sein politisches Comeback jetzt auf dem Trainingsplatz seines Fußballklubs AC Mailand verkündete, finden sie bloß noch degoutant.

Berlusconi ist schon lange kein Vorzeigeunternehmer mehr. Sein Unternehmen Fininvest schreibt erstmals rote Zahlen. Seine Fernsehfirma Mediaset hat den Anschluss an das digitale Zeitalter verpasst. Wohl auch deshalb steigt Berlusconi noch einmal in den Ring: um seine Firma zu retten, wie schon 1994.

»Erstarrung und Verschwendungssucht« hätten zur Krise Italiens geführt, heißt es im Rechenschaftsbericht der Banca d’Italia. Gegen beides ist Monti angegangen. Um Italien aber aus seiner Erstarrung zu lösen, hätte es mehr Mut gebraucht, auch mehr Fantasie. Die Professoren waren zu sehr darauf konzentriert, den Katalog ihrer Hausaufgaben abzuarbeiten. Dabei musste Monti auf viele Stimmen Rücksicht nehmen, aber viele Hoffnungsträger Italiens waren nicht dabei.

Es fehlen jene Akademiker, die bereits wegen der Krise ins Ausland geflüchtet sind, wo sie oft bemerkenswerte Karrieren machen. Oder jene Unternehmer, die lieber jenseits der Grenzen Marktnischen entdecken. Oder jene Einwanderer, die sich in Italien eine neue Existenz aufbauen: In diesem Jahr gab es noch 13.000 Firmengründungen von Ausländern, die aus fernen Ländern außerhalb der EU nach Italien kamen.

Das Experiment der Weisen ist beendet. Manche von ihnen können es kaum erwarten, an die Universität zurückzukehren, so wie Arbeitsministerin Elsa Fornero. Andere, wie Wirtschaftsminister Corrado Passera, wollen in der Politik bleiben. Montis Zukunft ist noch ungewiss. Er habe keinen Zweifel, dass die nächste Regierung den europäischen Kurs halten werde, sagte der scheidende Premier: »An Haushaltsdisziplin und Reformen kommt keiner vorbei.« Es klang beschwörend. Aber wahr werden muss es nicht.

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#3

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Monti in der Offensive
In Italien stimmt der zurückgetretene Regierungschef Monti mit einer Medienoffensive auf den bevorstehenden Wahlkampf ein. Seine politischen Gegner im rechten sowie im linken Lager ballen die Fäuste.
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Im Hinblick auf den für Ende Februar angesetzten Urnengang zur Erneuerung des italienischen Parlaments versucht der scheidende Ministerpräsident Mario Monti, mit einer Medienoffensive einen Vorsprung im bevorstehenden Wahlkampf zu sichern. In Auftritten beim staatlichen Hörfunk am Mittwoch und im staatlichen Fernsehen am Donnerstag hat der noch vor einer Woche von hiesigen Kommentatoren als «widerwilliger Kandidat» beschriebene Monti seine jüngst veröffentlichten Reformvorschläge zur Modernisierung Italiens der Wählerschaft erläutert.

Gegner verärgert

Dabei verteidigte Monti, der an der Spitze einer neuen Allianz aus Politikern und Vertretern der Bürgergesellschaft eine weitere Amtszeit als Regierungschef anstrebt, die von seiner Technokratenregierung unternommenen Massnahmen. Er machte zudem die parlamentarische Opposition aus dem linken sowie aus dem rechten Lager für die Verwässerung und die Blockierung dringend notwendiger Reformen verantwortlich. Er schien das Terrain für den imminenten Wahlkampf vorzubereiten, in dem er der konservativen Haltung seiner politischen Kontrahenten aus beiden Lagern die reformistischen Vorschläge seiner neuen Koalition gegenüberstellte. Zudem versuchte er, das an ihm haftende Image des «bösen Steuer-Manns» abzuschütteln. Unter anderem kündigte er in dem Radiointerview an, im Fall eines Wahlsieges seiner neuen Bewegung die Steuern zu senken. Montis offene Kritik an einzelnen Gegnern im linken und im rechten Lager, die sich ohnehin irritiert über die politischen Ambitionen des 69-jährigen Wirtschaftsprofessors gezeigt hatten, rief polemische Reaktionen hervor. Nachdem Monti die Unbeständigkeit seines Amtsvorgängers und Anführers der grössten Mitte-Rechts-Partei Popolo della Libertà, Silvio Berlusconi, kritisiert hatte, beschrieb ihn dieser als «realitätsfern». Berlusconi hatte in den vergangenen Wochen bei etlichen Medienauftritten widersprüchliche Bemerkungen zu Monti und dessen Regierung gemacht. Gereizt reagierte auch der Präsident Apuliens Nichi Vendola, der laut Monti als Konservativer den Status quo beibehalten will. Vendola wies Montis Kritik zurück und warf dem bisherigen Regierungschef vor, das Fernsehen «mit Berlusconi-ähnlicher Geschicklichkeit» zu besetzen.

Pierluigi Bersani, der an der Spitze der grössten Gruppierung des Mitte-Links-Lagers die besten Aussichten auf einen Wahlsieg hat, forderte Respekt für seinen Partito Democratico (PD). Monti hatte den Sozialdemokraten aufgefordert, sich gegen die Reformgegner innerhalb seiner Partei zu stellen.

Mögliche Allianz?

Das Verhältnis zu Bersani dürfte für die Bildung einer neuen Regierung laut Beobachtern indes entscheidend sein. Mit seinem Bündnis von Gleichgesinnten, bestehend aus der christlichdemokratischen Partei UDC, der zentristischen Gruppierung FLI sowie verschiedenen Bewegungen der Bürgergesellschaft und der Kirche, hat Monti laut bisherigen Umfragen kaum Chancen auf einen Wahlsieg. Bersani würde aber wegen des umstrittenen Wahlgesetzes nur im Abgeordnetenhaus eine komfortable Mehrheit erzielen. Im Senat könnte er somit auf eine Koalition angewiesen sein. Da eine Allianz mit Berlusconi ausgeschlossen ist, müsste er nach den Wahlen vermutlich mit Montis Bewegung den Kompromiss suchen. Zu diesem Szenario haben sich die beiden Kandidaten bisher nicht geäussert. Stellungnahmen zu möglichen Kooperationen sind erst zu erwarten, nachdem die Parteien die Wahllisten Mitte Januar eingereicht haben.
Quelle: NZZ.ch
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vor 2 Monaten

#4

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Tore von Balotelli - Prozente für Berlusconi?

Er inszeniert sich wieder als Retter Italiens: Ex-Premier Berlusconi setzt im Wahlkampf auf teure Versprechen, die die Reformen seines Nachfolgers Monti zurückdrehen würden. Zugleich hofft er, mit seinem Verein AC Milan nicht nur in der Serie A auf die nötigen Punkte zu kommen.
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Am Donnerstag geholt, am Sonntag getroffen. Zwei Tore erzielte Mario Balotelli im ersten Spiel für seinen neuen Verein, den AC Milan. Clubbesitzer Silvio Berlusconi hofft auf Rückenwind für seinen Wahlkampf. Ein paar Prozentpunkte soll ihm der Transfer bringen.

Und Berlusconi legt nach: Die umstrittene Immobiliensteuer will er im Falle eines Wahlsiegs den Bürgern zurückerstatten. Das nötige Kleingeld soll ein Steuerabkommen mit der Schweiz bringen. Die Konkurrenz tut sich schwer gegen den Propaganda-Profi Berlusconi. Und so klettert dessen Partei in den Umfragen immer weiter nach oben.

20 Millionen Euro für den Verein - und die Wiederwahl


Kann man Stimmen kaufen? Berlusconi ist überzeugt: Ja! Und so griff er, der eigentlich kein Geld mehr für seinen Fußballclub AC Milan ausgeben wollte, noch einmal tief in die Tasche und investierte 20 Millionen Euro Ablösesumme für Italiens Stürmerstar Mario Balotelli.

"Super" Mario Balotelli machte sich bezahlt: zwei Tore bei seinem ersten Einsatz für Milan und zwei Prozentpunkte mehr für Silvio Berlusconis PdL bei den Wahlen in drei Wochen. So rechnet man allen Ernstes in der Wahlkampfzentrale der PdL, wo man sich immer mehr Hoffnungen macht, am Ende gegen jede Prognose doch noch vorne zu liegen.

Drei weitere Prozentpunkte soll dieser Vorschlag Berlusconis einbringen: "In unserer ersten Kabinettssitzung werden wir als Entschädigung für eine falsche und ungerechte Steuer beschließen, dass die Steuer auf Wohnimmobilien, die 2012 von den Bürgern bezahlt wurde, zurückerstattet wird."

Monti über Berlusconis Methoden entsetzt


Die Geld-Zurück-Garantie bei einem Berlusconi-Wahlsieg muss verführerisch klingen in den Ohren der Italiener, die unter einer extrem hohen Steuerlast leiden. Vor allem seit sich Mario Monti daran machte, den maroden Staatshaushalt zu sanieren: "Es ist das erste Mal, dass jemand versucht, nach allen Regeln der Kunst die Stimmen der Italiener mit dem Geld der Italiener zu kaufen. Berlusconi will die Stimmen der Italiener mit den Geldern kaufen, die die Italiener bezahlen mussten, um die Haushaltslöcher zu schließen, die von dem hinterlassen wurden, der in acht der vergangenen zehn Jahre regiert hat, sprich: von ihm."

Doch Berlusconi setzt auf das Kurzzeitgedächtnis seiner Landsleute und den Volkszorn: Praktisch jeder Italiener schimpft über die von Monti wieder eingeführte Immobiliensteuer IMU. 400 Euro zahlt man beispielsweise für eine 70 Quadratmeterwohnung - Geld, auf das der Staat laut Berlusconi gut verzichten kann.

Er will ein Steuerabkommen mit der Schweiz schließen und so das Steuergeschenk gegenfinanzieren. Dies sei eine Milchmädchenrechnung, sagt Volkswirt Francesco Daveri von der Universität Parma: "Es besteht das Risiko, ein Finanzloch zu schaffen, das dann von den Steuerzahlern wieder gestopft werden muss - wahrscheinlich schon das Jahr darauf. Ich glaube, das ist die große Gefahr. Sicherlich brauchen wir Maßnahmen, die den Italienern ihr verdientes Geld zurückgeben. Doch Abkürzungen wie die von Berlusconi erscheinen mir gefährlich."

Berlusconi - ignorieren oder kommentieren?


Die Gegner Berlusconis stecken in der Zwickmühle: Sollen sie auf die populären Vorschläge reagieren und damit dem Populisten noch mehr Aufmerksamkeit bescheren? Pierluigi Bersani von der Demokratischen Partei, der in den Umfragen immer noch vorne liegt, hatte sich vorgenommen, in diesem Wahlkampf nicht über Berlusconi zu sprechen.

Nun wird er dazu gezwungen: "Ich würde gern daran erinnern, dass sich die 4,5 Milliarden, die für eine solche Maßnahmen nötig wären, haargenau mit der Summe decken, die Berlusconi und die Lega uns bezahlen ließen, um sie dann über Milchquoten Steuerhinterziehern zu schenken."

Man kann es mit Polemik probieren, mit Fakten oder Argumenten. An Berlusconi prallt all dies ab. Er präsentiert sich in diesen Tagen als der neue Retter Italiens - ganz so als wäre er die vergangenen 20 Jahre im Exil gewesen. Am 25. Februar wird sich herausstellen, ob die Italiener ihm diese Rolle abnehmen.

tagesschau
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#5

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Mussolinis Erbe

Es geht um Macht, nicht um Moral: Mitten im italienischen Wahlkampf wird der Neofaschismus wieder populär.


Die Rechtsextremen erobern die Piazza. Das haben sie auch schon vor fünf Jahren versucht, aber in diesem Frühjahr sind gleich sechs ultrarechte Parteien nicht zu übersehen. Die Krise hat sie gestärkt, an jeder Straßenecke versprechen die Rechten Sozialwohnungen und Arbeit für Italiener. Tagsüber verteilen sie Flugblätter und zeigen »physische Präsenz«, wie das in ihrem Jargon heißt. Nachts tapezieren sie römische Hauswände mit ihren Plakaten.

Das italienische Wahlrecht verhindert weitgehend die Direktwahl der Kandidaten. Nicht die Wähler, sondern die Parteiführer bestimmen, wer am Ende im Parlament sitzen darf. Deshalb haben die meisten Parteien fast komplett auf den Straßenwahlkampf verzichtet, ihre Führungsriege spricht lieber aus gut geheizten Fernsehstudios zum Volk. Die rechten Schmuddelkinder werden nicht ins Fernsehen eingeladen, ihnen bleibt nur die Piazza.

Sie sprühen Graffiti wie: »Sechs Millionen Tote sind eine Lüge – Antisemitismus ist kein Verbrechen«. Zu lesen in der Via Tasso in Rom. Früher lagen hier die Folterkammern der Gestapo. Heute residiert um die Ecke die rechtsextreme Partei Casa Pound. In Neapel wurden gerade sieben Mitglieder verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Körperverletzung und illegalen Waffenbesitz vor, außerdem hätten sie geplant, eine jüdische Studentin zu vergewaltigen.

Berlusconi umwirbt den rechten Rand


In Rom sind die Leute von Casa Pound bestens integriert. Ihr Chef betreibt eine beliebte Trattoria im Stadtzentrum. Wenn er mit seinem Einsatz auf der Straße fertig ist, kocht er Rigatoni mit Tomatensauce für Touristen. Vermutlich auch noch nach der Wahl am 25. Februar, denn ins Parlament wird Casa Pound kaum einziehen. Das Problem ist eher, dass das Gedankengut der rechtsextremen Straßenkämpfer längst salonfähig geworden ist.

Mitten im Wahlkampf lobt Silvio Berlusconi den faschistischen Duce Benito Mussolini. »Die Rassengesetze waren Mussolinis schlimmster Fehler«, sagte der Ex-Premier vergangene Woche am Rande einer Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag. »Aber auf anderen Gebieten hat er gut gearbeitet.« Für die Judenverfolgung könne Italien im Übrigen nicht verantwortlich gemacht werden: »Italien war mit Deutschland verbündet und wurde deshalb zum Einsatz gegen Juden gezwungen.« Berlusconi behauptete das ausgerechnet an Gleis 21 des Mailänder Hauptbahnhofs – Schauplatz der Deportation Hunderter jüdischer Italiener. Seine Worte waren zynisch und wohlkalkuliert.

Der in Umfragen abgeschlagene Medienunternehmer jagt auch am rechten Rand verzweifelt nach Stimmen. Es geht um Macht, nicht um Moral. Und schon gar nicht um historische Wahrheiten. Berlusconis Parteifreunde verteidigen ihren Chef mit dem Hinweis, er habe nur ausgesprochen, was die Mehrheit im Volk denke.

"Die Zeit der Ideologien ist vorbei"


Prompt trug Casa Pound Berlusconi nach dessen Duce-Lob die Gefolgschaft an. In der Region Latium ist der Ex-Premier schon längst mit den Neofaschisten von La Destra (Die Rechte) verbündet. Deren Führer Francesco Storace hat nichts dagegen, Mussolini zu loben, »aber vielleicht besser nicht am Holocaust-Gedenktag. Man kann es ja an den anderen 364 Tagen tun.« Für La Destra kandidiert auch der ehemalige italienische Konsul in Osaka, Japan. Der Diplomat wurde kürzlich versetzt, weil er als Sänger einer neofaschistischen Rockband auftrat. Versetzt, nicht fristlos entlassen.

Zu Berlusconis Entourage gehören rechte Nostalgiker wie die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini. Und auf seiner Gehaltsliste steht nach wie vor der AC-Mailand-Torwart Christian Abbiati; er outete sich schon vor Jahren als Mussolini-Fan. In Italien ist das weder im Sport noch in der Politik ein Problem. Hauptsache, es hagelt Punkte und Stimmen.

Das hat auch der Internet-Populist Beppe Grillo mit seiner sogenannten Fünf-Sterne-Bewegung erkannt. Als er kürzlich mit einem Casa-Pound-Kandidaten ins Gespräch kam, sagte er leichthin: »Wenn einer von euch sich unserer Bewegung anschließen will, hätte ich nichts dagegen.« Bislang wurde sein freundschaftliches Angebot nicht angenommen. Dabei hatte Grillo auf seinem Blog noch präzisiert: »Fünf Sterne sind weder links noch rechts. Die Zeit der Ideologien ist vorbei.«

Für den Antifaschismus mag das gelten. Der Neofaschismus aber ist quicklebendig.

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#6

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

EU-Parlamentspräsident warnt vor Berlusconi

EU-Parlamentspräsident Schulz hat an die Italiener appelliert, Berlusconi keine weitere Chance zu geben. Der will bei einem Wahlsieg die Reformen Montis zurückdrehen.


Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hat die italienische Bevölkerung vor einer neuerlichen Wahl des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gewarnt. Berlusconi habe "Italien schon mal durch unverantwortliches Regierungshandeln und persönliche Eskapaden ins Trudeln gebracht", sagte Schulz der Bild-Zeitung.

Bei der Parlamentswahl am Sonntag und Montag gehe es deshalb darum, nicht das Vertrauen zu verspielen, welches das Land durch den derzeitigen Regierungschef Mario Monti gewonnen habe. "Ich habe großes Vertrauen in die italienischen Wählerinnen und Wähler, dass sie die für ihr Land richtige Wahl treffen werden", sagte Schulz.

In Umfragen hatten die hinter Berlusconi stehenden Mitte-Rechts-Parteien zuletzt aufgeholt. Sie lagen zwischen 2,5 und 4,5 Prozentpunkte hinter dem Mitte-Links-Bündnis des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani.

Bersani will im Fall eines Wahlsiegs die Reformagenda Montis fortsetzen, der mit seinen Maßnahmen Italien aus der Schuldenkrise zu führen versuchte. Berlusconi kündigte hingegen für den Fall eines Wahlsiegs die Rückerstattung der im vergangenen Jahr eingeführten Immobiliensteuer an und versprach Steuersündern eine Amnestie.

Merkel wünsche sich keinen Sieg von Mitte-Links


In Hinblick auf die Bundestagswahl in Deutschland warf Ministerpräsident Mario Monti Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, die Wahl der Mitte-Links-Parteien in Italien abzulehnen. "Merkel fürchtet die Konsolidierung der Parteien der Linken, besonders in einem Wahljahr für sie", sagte Monti in einem Interview. "Ich glaube nicht, dass sie irgendeinen Wunsch hat, dass die PD an die Regierung kommt."

Monti reagierte mit seinen Äußerungen auf Aussagen Berlusconis, der in den vergangenen Wochen wiederholt Merkel angegriffen hatte. So mutmaßte Berlusconi, Monti und Merkel hätten sich bereits darauf verständigt, die PD zu unterstützen.

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#7

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Patt oder Patachon

Italien wählt, Europa zittert: Gewinnt Silvio "Patachon" Berlusconi die Wahl, dürfte Schluss sein mit dem Reformkurs. Nicht viel besser: das ebenfalls mögliche politische Patt.


Bang schaut Europa nach Rom. Wenn sich dort am Montag, kurz nach 15 Uhr, die Kandidaten der großen Parteien nach Wahlende vor die Kameras begeben, hofft nicht nur das Führungspersonal in Berlin, Paris oder Athen darauf, dass zumindest ein Mann schlechte Laune haben wird: Silvio Berlusconi. Denn vor allem an ihm hängt die nähere Zukunft Italiens. Und die des Euro. Der Ex-Ministerpräsident war im Wahlkampf mit zwei billigen wie unseriösen Ankündigungen auf Stimmenfang gegangen: weg mit den Sparkurs, weg mit Steuererhöhungen. Dass er damit die Zahlungsfähigkeit seines Landes riskiert und letztlich das Restvertrauen in die Gemeinschaftswährung ruiniert - geschenkt. Für den Patachon Italiens zählte nur eines: sein Comeback auf die Regierungsbank.

Eine nie dagewesene, europaweite Koalition aus rechten wie linken Politikern, aus Bankern, Wirtschaftsexperten und anderen Leuten vom Fach hatte in den vergangenen Wochen mehr oder weniger unverhohlen die Italiener davor gewarnt, den Mehrfach-Ex-Ministerpräsidenten zu seiner fünften Amtszeit zu verhelfen. Natürlich nur selten mit deutlichen Worten, sondern meistens in einem diplomatischen Über-Bande-Duktus, wie ihn EU-Währungskommissar Olli Rehn nun wieder anschlug. Über die Aussichten in den Euro-Ländern sagte er, erst 2014 dürfte die Rezession beendet sein. Aber auch nur dank der "entschlossenen politischen Schritte der jüngsten Zeit." Damit meinte er unter anderem den rigiden Sparkurs, den Italiens Premier Mario Monti eingeschlagen hat. Besser: einschlagen musste. Umgekehrt lautet die Botschaft: Es geht nur bergauf, wenn die Krisenländer bei ihrem Reformkurs bleiben.

Die unheimliche Aufholjagd der PdL


Genau diese Richtung aber macht Italien zu schaffen. Die Konjunktur lahmt, die Arbeitslosenzahlen steigen, die Menschen haben immer weniger Geld für das immer teuer werdende Leben. Was will man in dieser Situation lieber hören als die salbenden Worte des ungenierten Populisten Berlusconi? Mit seinem Versprechen, die ungeliebten Monti-Maßnahmen hinwegzufegen, haben es er und seine Partei, die PdL geschafft, innerhalb von nur wenigen Wochen wieder drittstärkste politische Partei zu werden. Dabei schien es Ende vergangenen Jahres noch so, als hätte das Land die vollmundige aber untätige Regierungszeit des Cavaliere endgültig hinter sich gelassen.

Sicher, Berlusconi hat vor allem im Fernsehen ein einnehmendes Wesen. Er kann auch seine populistischen Botschaften auch über seine diversen Sender und Medien unters Volk bringen. Allerdings macht es ihm seine Konkurrenz auch einfach.

Als da wären:
Mario Monti – der Unverstandene

2011, nachdem Silvio Berlusconi seinen Rücktritt erklärt hatte, übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten und machte das, was Italien dringend benötigte: Ausgaben reduzieren, Steuern erhöhen. Dafür wurde und wird er immer noch vom Euro-Ausland gelobt. Der schmerzhafte Konsolidierungskurs aber kommt bei den Italienern verständlicherweise nicht gut an. In den Umfragen liegt er fast abgeschlagen auf Platz vier.

Pier Luigi Bersani - der Bodenständige

Früher Kommunist, heute Sozialdemokrat. Bersani, der im Ausland so gut wie unbekannt ist, hat beste Chancen, nächster Ministerpräsident zu werden. Denn seine Partei PD lag in den letzten Umfragen vorne. Wenn auch so knapp, dass er kaum alleine wird regieren können. Bersani, seinem Wesen nach das Gegenteil von Silvio Berlusconi, neigt offenbar zu einer Koalition mit dem "Zentrumsblock" des parteilosen Mario Monti.

Beppe Grillo - der Freigeist

In seinem früheren Leben war Grillo mal ein bekannter Komiker. Bis aus seinen populistischen Witzen plötzlich ernst wurde und er nun die Protestbewegung "Fünf Sterne" anführt. In den Umfragen liegt er auf Platz zwei. Im Wahlkampf mobilisierte er mit der "Tsunami-Tour", euroskeptischen Sprüchen und dem Geschmähe der Politikerkaste die Massen.

Am Ende des Wahlkampfs deutet einiges darauf hin, dass die Mehrheit der Italiener ihres politischen Führungspersonals überdrüssig sind. Die letzten großen Umfragen allerdings liegen zwei Wochen zurück, danach durfte keine Befragung mehr veröffentlicht werden. In diesen 14 Tagen kann sich natürlich noch einiges verschoben haben. Vor allem Silvio "Patachon" Berlusconi und der "5-Sterne-Bewegung" wird zugetraut, noch entscheidende Prozente gut gemacht zu haben. Viele Beobachter aber fürchten daher, dass die Verhältnisse so eng sind, dass Italien unregierbar wird.

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vor 2 Wochen

#8

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Parlamentswahlen in Italien

Berlusconi setzt sich im Senat an die Spitze

Erst sah es nach einem Sieg für Pier Luigi Bersanis Mitte-Links-Bündnis aus. Doch neuen Hochrechnungen zufolge liegt plötzlich Berlusconis Lager im Senat vorn. Vieles deutet auf ein Patt hin.


Nach den Parlamentswahlen in Italien könnte die Regierungsbildung schwierig werden. Nach ersten Hochrechnungen liegt das Mitte-Rechts-Bündnis des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi im umkämpften Senat überraschend vorn. Für das Abgeordnetenhaus liegen bislang keine Hochrechnungen vor, Prognosen sahen dort das Mitte-Links-Bündnis Pier Luigi Bersanis vorn. Sollte es bei dieser Konstellation bleiben, steht das Land potenziell vor einer politischen Blockade.

Im Senat führt das Berlusconi-Lager nach einer Hochrechnung des Rai-Fernsehens vom Montag mit 31,6 Prozent vor Bersanis Bündnis, das auf 29,4 Prozent kommt. Eine zweite Hochrechnung des Sky-Senders kam zu ähnlichen Ergebnissen. Damit wurde der von den Prognosen angegebene Trend im Senat wieder umgekehrt.

Die Populisten der Bewegung "Fünf Sterne" des Komikers Beppe Grillo wurden den Hochrechnungen zufolge zweitstärkste Einzelpartei in der zweiten Kammer. Sie kommen sensationell auf knapp 25 Prozent. Abgeschlagen an vierter Stelle folgt die Liste des bisherigen Regierungschefs Mario Monti, dessen Bündnis der Mitte nur auf 8,2 bis 9,6 Prozent kommt.

Ein Lager muss Mehrheit in beiden Kammern erringen


Zuvor hatten erste Prognosen Bersani als Sieger im Abgeordnetenhaus gesehen. Das Bündnis sei auf 34,5 Prozent der Stimmen gekommen, berichtete unmittelbar nach Schließung der Wahllokale der Fernsehsender Sky TG-24 unter Berufung auf Nachwahlbefragungen.

Eine stabile Regierung ist nur garantiert, wenn eines der Lager die Mehrheit in den beiden Kammern des Parlaments erringt. Abgeordnetenkammer und Senat sind bei der Gesetzgebung gleichberechtigt. Die Mitglieder der Kammer werden jedoch landesweit, die des Senats in den Regionen gewählt. Dadurch können sich unterschiedliche Mehrheiten ergeben, was zu instabilen Verhältnissen führt. Endgültige Klarheit über die künftigen Machtverhältnisse dürfte erst nach Auszählung der Stimmen herrschen.

Bersanis Mitte-Links-Bündnis war als Favorit in die Wahl gegangen. Im Schlussspurt schloss der skandalumwitterte Berlusconi, dem im Dezember niemand ein Comeback zugetraut hatte, bis auf wenige Punkte zum linken Lager auf.

Für die drittgrößten Volkswirtschaft in der Euro-Zone und die gesamte Währungsgemeinschaft geht es bei den vorgezogenen Parlamentswahlen um viel. Entscheidend ist, ob das hoch verschuldete und in einer tiefen Rezession steckende Land eine stabile Regierung bekommt. Nach dem Rücktritt des parteilosen Regierungschefs Monti hatte Staatschef Giorgio Napolitano im Dezember das italienische Parlament aufgelöst. Die Parlamentswahl wurde leicht vorgezogen.

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vor 2 Wochen

#9

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Parlamentswahl in Italien
Ein Sieger ohne klare Mehrheiten

Eine lange Wahlnacht in Italien endet mit ungewissem Ausgang: Das Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani hat bei der Parlamentswahl das Abgeordnetenhaus für sich erobert - die Mehrheit der Sitze in der zweiten Kammer aber verfehlt. Die Koalition kam laut vorläufigem Ergebnis auf 29,55 Prozent der Stimmen vor der Mitte-Rechts-Allianz des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi mit 29,18 Prozent. Gemäß dem italienischen Wahlrecht wird der führenden Liste automatisch die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus zugesprochen.

Berlusconi-Bündnis hat die meisten Sitze im Senat

Im Senat sehen die Mehrheitsverhältnisse anders aus. Dort lieferten sich das Bersani-Bündnis und der Mitte-Rechts-Block des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi über Stunden ein Kopf-an Kopf-Rennen. Am Ende lag das Bersani-Lager zwar nach Stimmen vorn. Doch die Mehrheit der Mandate - nämlich 116 - erhält das Berlusconi-Lager. Bersanis Bündnis hat 113 Sitze und ist somit im Senat zur Mehrheitsbildung auf andere Parteien angewiesen. Drittstärkste Kraft ist das Bündnis des Komikers Beppe Grillo mit 54 Sitzen. Die Koalition von Ex-Regierungschef Mario Monti kommt auf 18 Sitze.

Für eine Mehrheit im Senat sind 158 Sitze nötig. Gesetze müssen von beiden Kammern gebilligt werden. Daher müsste sich Bersani zur Verabschiedung von Reformvorhaben die Unterstützung von Berlusconi oder Grillo sichern.
Sieg oder Unentschieden?

Die unklaren Mehrheiten in der zweiten Parlamentskammer führten denn auch noch in der Wahlnacht zu Unstimmigkeiten. Sowohl Mitte-Rechts als auch Mitte-Links behaupteten, den Wahlsieg im Senat erreicht zu haben. Während Bersanis PD das von ihr geführte Bündnis trotz der knappen Ergebnisse zum Sieger der Parlamentswahlen erklärte, forderte Mitte-Rechts, die Wahl als "Unentschieden" auszugeben. "Das Mitte-Links-Bündnis hat im Abgeordnetenhaus gewonnen und liegt mit 365.000 Stimmen im Senat vorn", hieß es aus der Pressestelle der PD. Angelino Alfano, Parteichef von Berlusconis PDL-Partei, hielt dagegen, der Vorsprung des Mitte-Links-Bündnisses im Abgeordnetenhaus sei zu knapp, um als Sieg zu gelten.
Überraschungssieger Grillo kündigt harten Kampf an

Der einzig eindeutige Wahlsieger ist nach stundenlanger Auszählung und Ungewissheit Grillo. Im Abgeordnetenhaus wurde seine Bewegung "Fünf Sterne" mit 25,55 Prozent der Stimmen sogar stärkste Einzelpartei. Sie entsendet 108 Parlamentarier in diese Kammer. "Wir sind heute das wahre Hindernis. Ohne uns geht es nicht mehr", freute sich der 64-jährige aus Genua. "Wenn sie uns folgen wollen, gut, wenn nicht, wird es einen harten Kampf geben."

Mit 10,5 Prozent schnitt die Koalition des amtierenden Regierungschefs Mario Monti auch im Abgeordnetenhaus unerwartet schlecht ab. Im Ausland wird Monti für seine Reformen geachtet, die Italien aus der akuten Finanzklemme geführt haben. In seiner Heimat wurden ihm die massiven Sparbeschlüsse aber angekreidet.

Die Wahlbeteiligung lag bei 75 Prozent, die niedrigste seit Gründung der Republik nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein geringes Wählerinteresse schadet Experten zufolge generell den etablierten Parteien und nutzt populistischen Gruppierungen.

Die ersten Ergebnisse verheißen nichts Gutes für den eingeschlagenen Reformkurs Italiens. Der Urnengang galt als historische Richtungswahl, die über den Reformkurs Italiens und die Stabilisierung des Euros entscheiden würde. Die Finanzwelt reagierte angesichts der chaotischen Zustände in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone besorgt. Der Dow-Jones-Index fiel um mehr als 200 Punkte, der größte Verlust seit November. Auch in Tokio gab die Börse zu Handelsbeginn deutlich nach.

Quelle

das geht übel aus für italien, deutschland und europa wenn da sich nicht was noch ändert.

"Blues are the root. The rest is the fruit" (Willie Dixon)
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#10

Re: [ST] Wahlkampf in Italien

Hier die neusten Zahlen des italienischen Innenminesteriums-
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